Was ich an Esten gar nicht mag

Es ist nur fair, wenn ich nach dem Nicht-Verstehen-Post über Deutsche etwas Kritisches über meine Landsleute schreibe. Es gibt unter uns aber auch nette… hoffe ich.

1. Alkoholkonsum. Überall und immer muss Alkohol getrunken werden. Und falls jemand kein Alkohol trinkt, wird er dann lautstark beschämt und muss erklären, wieso nicht. "Aber diesen einen Schnaps darfst du doch!" Es geht oft nicht um Wein, sondern um Vodka. Und wisst Ihr, was besonders schlimm ist - ich kenne Frauen, die ihre alkoholsüchtige, misshandelnde Ehemänner verlassen haben, weil sie für ihre Töchter eine bessere Zukunft haben wollen… und diese Frauen sagen, dass es doch normal ist, wenn ein Mann sich ab und zu betrinkt. Da ist man schon gern unter den Baptisten in Estland, bei unserer Gemeinde herrscht nämlich Alkoholverbot. Ich koche oder backe nur ab und zu mit Wein oder Rum.

2. Angeberautos. Viele, viele Esten wohnen in einer schäbigen Wohnung, können dem Kind keine ordentliche Kleidung für die Schule leisten und beantragen kostenlose Mittagessen für die Kinder in der Schule ( ich bezahle 5 Euro für jedes Kind im Monat, das ist ja nicht so viel…), aber sie haben ein BMW oder ein Geländewagen auf dem Hof. Übrigens sind unsere Strassen oft gut genug, dass man ein Geländewagen gar nicht braucht. Wir sind auch ein paar Mal von Fremden gehänselt worden, weil wir ein Opel Corsa gefahren sind. Einfach so.

3. Sporthelden. Ja, wir haben einige gute Sportler. Es gibt welche in jedem Land. Aber das ganze um "unsere Kelly" (ein junges Mädchen, das irgendwas mit Skifahren macht) und "dem Ott" (ein Rennfahrer) geht mir schon langsam auf die Nerven. Und überhaupt…

4. Wichtigtuer. Wie für jede kleine Nation, ist es auch für uns wichtig, dass die Welt über uns weiss. Ich habe darüber auch geschrieben, und wie ärgerlich es ist, wenn kein Mensch glauben will, dass wir wirklich eine eigene Sprache haben usw. Aber dass die Esten Skype ausgedacht haben, oder dass wir einige sehr gute Wissenschaftler haben, oder dass wir fast gewaltfrei aus Sowjetunion ausgebrochen sind - das alles macht mich als Mensch nicht besser oder schlechter. Es sind mehr oder weniger interessante Fakte, die man ja im Allgemeinen wissen kann - ich höre immer gern solche Fakte über andere Länder, vielleicht noch jemand? -, aber das macht einen Esten nicht besser als andere Menschen. Es gibt aber genug Esten, die sich so benehmen.

5. Zentrumwahn. Jedes Geschäft nennt sich "Zentrum". Und wenn es auch so klein ist. Wir haben Farbenzentrum, Batteriezentrum, Schlüsselzentrum… Da kommen "Sofaparadies" oder "Fensterexperte" schon als angenehme Abwechslung.

6. Chefsache. Es gibt sehr viele Angestelle in Büros ind Firmen, die wollen unbedingt alle Chefs für irgendwas genannt werden. Es gibt kaum Sekretärinnen, sie wollen alle Büroleiterinnen sein.  Oder keine Kaufmänner/frauen, sie wollen Leiter für Einkäufe genannt sein. Und so weiter.

7. Alleinerziehende Mütter und verantwortungslose Väter. Es kommt ja vor, dass Paare sich trennen. Auch wenn Kinder da sind. Was in Estland aber sehr, sehr oft vorkommt, ist, dass die Mutter nach der Trennung allein für die Kinder zuständig ist. Auch finanziell. Es ist so gut wie unmöglich, den Vater zur Verantwortung zu bringen. "Zur Hölle mit diesen alten Kindern, ich mach mir neue Kinder!" hat mir so ein Vater mal übers Telefon geprahlt.

8. Schmutzige Toiletten. In den Einkaufszentren sind die Toiletten oft dreckig. Und/oder klein, so klein, dass ich mich kaum dort umdrehen kann - und ich trage Grösse 44. Eine öffentliche Toilette sollte doch gross genug sein für jede Frau, auch mit Winterkleidung! Am Montag waren die Einkaufszentren wieder geöffnet… ich wollte Hände waschen. Da steht ein Riesenschild, wie man sich die Hände waschen muss, mit viel Seife und warmem Wasser... und es kommt nur ein bisschen kaltes Wasser! Dort hat es auch früher Probleme gegeben.

9. Dass alle russische Sprache für sooo wichtig halten. "Wieso lernen deine Kinder kein Russisch in der Schule?" fragen mich sehr viele Freunde und Bekannte. "Das braucht man ja im Leben so viel!" Tja. Erstmal, wir haben eine Staatssprache. Ich persönlich habe in den letzten 15 Jahren nur etwa dreimal Russisch gesprochen. Einmal mit einer Touristin, einmal mit einer Mutter (beruflich) und einmal… weiss ich nicht mehr, waren wohl auch Touristen oder so. Vielleicht in der Restaurantbranche, oder wenn man beruflich viel in Russland unterwegs ist, braucht man es. Aber sonst… nicht so. Zwei Fremdsprachen müssen in der Hauptschule sein, aber es sollten verschieden Sprachen sein. Nicht nur Englisch und Russisch. Übrigens haben wir ja auch zu Lettland Landesgrenze, aber wer lernt schon Lettisch in der Hauptschule?

10. Das Aussehen vieler Frauen. Ein nettes Kleid ist in Ordnung, trage ich selbst auch gern. Absätze - ja, bitte. Schminken schadet nicht. Wir haben aber sehr, sehr viele Frauen, die sich lächerlich viel schminken, künstliche Wimpern und künstliche Fingernägel tragen. Handtaschen mit Markennamen drauf, viel zu enge Kleidung… so etwas sieht man bei uns am Elternabend… oder vielleicht in einer europäischen Grossstadt unter der Brücke. Ist peinlich.

Ob ich selbst von allen diesen Sünden frei bin - nicht hundertprozentig. Nicht immer. Und es sind nicht alle Esten so. Es sind aber leider viele so und das tut mir echt leid.

Comments

  1. Zu estnisch als Sprache: Der zum Tod Verurteilte wird gefragt: Gibt es noch einen letzten Wunsch, den Sie vor der Hinrichtung erfüllt haben möchten? Antwort: Estnisch lernen. (Wird manchmal auch mit der Variante: "Finnisch lernen") erzählt.

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