5. Februar

 Frau Brüllen fragt heute wieder, was man überall so macht an diesem Tag.

Um 6.30 piepst es. Ich stehe kurz danach auf. Erstmal heisses Wasser durch Küchenabfluss laufen lassen - es ist fast zugefroren (Befestigung defekt, dadurch Rohr krumm, kann erst im Frühling repariert werden, alles draussen). Draussen sind -17'C. 

Kaffee. Kinder. Mann. Feuer im Herd, damit es etwas wärmer wird. 

Der Jüngste hat heute Distanzunterricht, weil von seinen 6 Lehrerinnen 4 in Quarantäne sein müssen - es gab letzte Woche einen Coronafall in 6b, die auch von dieselben LehrerInnen unterrichtet wird. Ab Montag können sie übrigens alle wieder zurück, denn offensichtlich hat sich keiner angesteckt. 4 Tage lang konnte die Schulleitung Ersatzlehrer finden, aber Stundenplan für Freitag war wohl viel zu schlimm. Uns passt es gut, denn der Jüngste wird dann Öfen heizen und Wasserhahn ab und zu aufdrehen.

Der Mann geht raus. Monsieur Picasso mag nicht, als gebürtiger Franzose, seine ersten Jahre in mildem Klima bei Duisburg verbracht, hat er keine Lust auf den estnischen Winter. Erst beim fünften Versuch springt der Motor an. Es schneit ein bisschen. 

Wir kommen bei der Schule an. Kurz nachdem ich in meinem Zimmer angekommen bin, kommt der Mittlere und hilft mir, ein paar Bilder von der Wand runterzunehmen. Heute werde ich nämlich mein ganzes Krimskrams ins Nebenzimmer umziehen, damit mein Zimmer renoviert werden kann. 

Ich mache ein paar Stunden meine normale Arbeit, dann frage ich beim Schuldirektor nach, ob das Nebenzimmer fertig ist. Ja, bis auf die Lampen, sagt der Direktor, du kannst umziehen. 

Nachdem ich mit Papieren, Ordner, Bücher, Stofftieren und ein paar Brettspielen hin und her gelaufen und dabei vorbeigehenden Kolleginnen erklärt habe, was vor sich geht, bin ich soweit fertig, dass ich nicht mehr allein klarkomme. Der Mittlere hat gerade Pause. Ich bitte ihn um Hilfe. Erstmal versuchen wir, meinen Schreibtisch zu bewegen, aber der fällt auseinander... ist auch bestimmt 30 Jahre alt. Übrigens werde ich auch neue Büromöbel kriegen, wenn das Zimmer fertig ist, im Moment muss ich aber noch mit den alten klarkommen. 

Ich habe da noch einen Tisch stehen, wir nehmen einfach diesen als Schreibtisch-Ersatz. Der Mittlere stezt auch mein Computer zusammen. Ich prüfe sofort, ob die neuen Internetleitungen auch funktionieren - ja, es ist alles in Ordnung. Dann sind da noch ein Schrank, zwei Lehnstühle, ein Riesencouch und Couchtisch. Der Mittlere holt Hilfe aus seiner Klasse. Sein bester Freund (der auch sein Namensvetter ist) kommt. Im Flur guckt 9a ziemlich erstaunt zu. Den Couch schaffen die Jungs auch zu zweit nicht. Da ist aber Oleg*, der immer gern mit dabei ist. Oleg packt an, der Schuldirektor geht vorbei und endlich schaffen sie zu viert es, den Couch in das andere Zimmer zu bugsieren. Später petzt der Mittlere, dass Oleg beim Couch auf Russisch geflucht hat. Bei so etwas würde ich auch fluchen. Mein nächter Arbeitstag ist Dienstag, dann bringe ich für Oleg und dem Namensvetter ein kleines Dankeschön mit.

Ich sortiere meine Papiere, diese Arbeit ist staubig. Ganz vieles kann ich wegwerfen. Inzwischen frage ich den Jüngsten über Messenger, wie es ihm geht. Gut, sagt er. 

In der Schulkantine esse ich Hähnchenschnitzel mit Salat, es kostet 2 Euro. Schüleressen würde 1.50 kosten, heute gab es Schweinefleischeintopf, wahlweise Kartoffeln oder Reis, gekochtes Gemüse, Salat, Obst und Quark-Süssspeise, aber ich hatte keine Lust darauf. 

Um 13 Uhr sagt Der Mann, dass er für heute fertig sei. In seiner Schule waren heute alle auf Distanzunterricht, aber wegen Magen-Darmdings, nicht Corona. Der Mann hatte seine elenden 24 Stunden schon am Wochenende gehabt, als Computerspezialist kann er arbeiten, auch wenn keine Kinder in der Schule sind. Er hilft mir, ein paar Taschen mit gut brennendem Altpapier runterzutragen. Wir gehen kurz einkaufen, auch für meine Eltern. 

Meine Mutter (82) schaut sich im Keller gerade die Holzvorräte an, als wir ankommen. Mein Vater (gerade 88 geworden) steht mürrisch in der Küche und klagt, dass seine neuen "Schlaftabletten" ihm beim Einschlafen nicht helfen. Eigentlich sind die gegen seine Psychosen, Altersdemenz kommt auch bei ihm an... 

Dann sind die grossen Jungs mit der Schule fertig. Der Älteste will zu seinem besten Freund. Na gut, Handschuhe und Mütze bitte anziehen... Er findet es natürlich total uncool. Es sind "nur" -9'C draussen. 

Zu Hause angekommen, kommt eine Nachricht von dem Ältesten - darf er in der Stadt übernachten? Er und sein bester Freund wollen wohl die ganze Nacht Computer spielen. Na gut... Ich will erstmal einen Kaffee. Ich habe keine Lust auf Kochen, aber dann sehe ich bei Marit von Mamas business auf Instagram Donauwellen Muffins und kriege Lust, sie nachzubacken. Ohne Puddingpulver oder Maisstärke im Haus ist es schon kompliziert, aber mit Milch, Eier, Vanillezucker, saurer Sahne und etwas Vanillesossenpulver geht es wahrscheinlich in die richtige Richtung. Statt Kirschen nehme ich Mirabellen, davon habe ich ein offenes Glas im Kühlschrank. 

Inzwischen mache ich Katzenklo sauber. Und dann nochmal. Und dann wird die Frage der verlorenen Hose geklärt, denn der Jüngste kam aus dem Bogenschiessen-Training gestern in kurzer Sporthose... bei -10'C. Ein 11jähriger Kollege hatte sie aus Versehen in seine Tasche gepackt und nach Hause mitgenommen. Gut, dass wir die Kinder immer mit dem Auto abholen. 

Es wird auch noch hier und da geheizt, denn um 19 Uhr sind draussen -16'C. 

Später werde ich die Spülmaschine und Waschmaschine programmieren, so dass unsere Pumpe die ganze Nacht zu tun hat. Winter ist eben nicht so lustig, wie man es vielleicht vorstellt. 

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*Oleg (Name verändert) ist bildhübsch und eigentlich gutmütig, ist aber bei uns in der Schule das "Werbegesicht" für ADHD. Alle kennen Oleg, er ist bei guten und schlechten Geschehnissen immer dabei... 

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