"Ich bin doch alle-heinerziehend!"

Vor mehreren Jahren, als ich als Schulpsychologin noch jung, unerfahren und nett war, hat mir eine Mutter so gesagt. Zwei Kinder hatte sie, glaube ich, warum sie geschiedan war, ging mich nichts an, aber dass ihr Kind in der Schule Probleme hatte, schon. Nach vielen Gesprächen, Bitten und Abmachungen (woran sie sich nicht gehalten hat), hat sie eines Tages mit den Wimpern geklimpert und geseufzt: "Ich schaff das alles doch nicht, ich bin doch alle-heinerziehend!" (aber nicht alleinschlafend, haben wir vom Kind gehört… um) Was aus dem Kind geworden ist, keine Ahnung, ich hatte Babypause, das Kind hat die Schule gewechselt. Ich denke aber oft an diese Frau zurück.

Gerade gestern habe ich Papiere für ein anderes Kind ausgefüllt, das Kind wird in einem Beratungszentrum beraten und dann kriegt die Schule hoffentlich Anweisungen, wie wir es noch besser helfen können. Das Kind ist lieb und nett. Sehr höflich. Die Klassenleiterin wollte da unbedingt noch betonen, dass es sehr hilfsbereit ist und immer sagt, wenn es an Jemandem etwas gut findet. Nur Lesen und Schreiben gehen nicht so gut, deswegen muss es einen teil der Unterricht in einer Kleingruppe machen. Dort arbeitet es aber hart und gern, denn es möchte alles so gut machen wie es geht. Die Mutter... auch sie ist net und liebenswert. Hübsch ist sie auch. Sie ist mit ihren zwei Kindern allein, betont es aber niemals. Na ja, es gibt da einen Freund, aber mit dem trifft sie sich diskret. Soll ein netter Mann sein, der auch langsam die Beziehung zu ihren Kindern aufbaut. Es gibt nicht viel Geld in der Familie, denn die Mutter will auch mit den Kindern zusammen sein, es ist ihr wichtig. Es sind aber immer alle Schulsachen da und die Kleidung des Kindes schön und sauber. Das Kind ist niemals zu spät, die Hausaufgaben sind gemacht. Alles so wie in den besten Familien. Und wenn die Mutter mal Hilfe oder Beratung braucht - es kann ja vorkommen, es ist bestimmt nicht immer einfach mit dem Geld und so -, dann nimmt sie es auch an, das haben wir schon erlebt.

Und dann… wurde uns ein anderes Kind zugewiesen. Wir hatten es schon für eine Weile… dann konnten wir es schliesslich in eine Schule schicken, wo die Lehrer auch mit solchen Störungen etwas anfangen können. Dann wurden die Gesetze verändert und plötzlich muss das sehr, sehr ungewöhnliche (leider nicht in gutem Sinne, absolut nichts normales) Kind wieder auf eine "normale" Schule. Die Mutter ist mit ihren zwei Kindern alle-hein, sagt sie. Ihr 30 Jahre älterer Freund kommt und geht, übernachtet ab und zu, steckt den Kindern Geld zu, so ist es halt. Wenn das Kind aber mit 11 Jahren spät am Abend nicht da ist, nimmt die Mutter eine Schlaftablette und geht ins Bett, wann, woher  und in welchem Zustand (auch alkoholisiert, ist vorgekommen) das Kind nach Hause kommt, ist doch nicht so wichtig, sie vertraut ihrem Kind. Und ob es am Morgen rechtzeitig in die Schule kommt, ist auch nicht so wichtig. Es kommt doch irgendwann, stimmt? Mit Hausaufgaben kann sie nicht helfen, hat sie mir einmal gesagt, sie brauchte doch ein neues Auto (ein BMW oder so in der Preisklasse) und dafür musste sie viele, viele Überstunden machen. Die Familie wohnt übrigens in der Stadt, Buskarten sind nicht so teuer… Sie ist doch alle-heinerziehend. Ja, sie hat ein Auto, die Wohnung ist schön, die Kinderschutzbeamtin findet, es sei alles gut in der Familie… aber Liebe und Fürsorge kann die Kinderschutzbeamtin wohl nicht messen, das sehen wir in der Schule... oder eher die jahrelange Abwesenheit von denen. Das Kind wurde noch nicht in der Schule angenommen, denn eine durchschnittliche Schule kommt mit dieser Familie nicht klar, das Vertrauen ist weg, alle Angebote zur Hilfe (alle möglichen Unterstützungen und Beratungen, die es gibt, hat sie angeboten gekriegt) lehnt die Mutter ab. Wir warten auf die Lösung von Sozial- und Bildungsamt der Stadt.

Wir haben so viele nette, gute, fürsorgliche Familien. Egal, ob beide Elternteile da sind oder nicht, es kann oft sehr gut gehen und so ist es auch. Die Kinder sind toll, dei Probleme werden gelöst… oder eigentlich, in vielen Fällen gibt es gar keine Probleme. Und dann… haben wir diese Familien, wo nichts gut geht, egal, ob die Mutter alle-heinerziehend ist oder ob ein väterlicher Freund da ist. Manchmal hält die Beziehung zum väterlichen Freund auch nicht lange, denn die Alle-heinerziehungsmethoden der Frau passen einem vernünftigen Mann nicht. Das haben wir auch schon gesehen. Manche Frauen lernen wohl nie… aber schliesslich leiden die Kinder.

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