Donnerstagmorgen

 7-Tage-Inzidenz in Estland ist über 1200. In unserer Schule sind (gestern gezählt) etwa 1/10 von allen Kindern und LehrerInnen mit Corona zu Hause oder als Nahkontakt in der Isolation. Gestern gab es in ganz Estland über 3000 Neuinfektionen, das ist mehr als je... aber im Krankenhaus waren nur etwas über 300 Menschen, das ist vielleicht viel, aber - aaaaaber - in den schlimmsten Zeiten sind es über 600 gewesen. Diese Welle geht über uns, aber vielleicht - vielleicht - doch etwas milder, einfacher, ruhiger... Omikron soll angeblich weniger schlimm sein als alle Varianten zuvor. Es hilft aber nicht diejenigen, bei denen es doch schwer verläuft. 

Wir haben Maskenpflicht in den Innenräumen - bäh - und diese Woche will der Schuldirektor auch, dass alle LehrerInnen in der Schule eine Maske tragen. Zum Glück passen die medizinischen Masken gut. 

Und 2G haben wir, obwohl die Impfungen ja nicht so gut wirken und auch Geimpfte ansteckend sein können. Bis Mittsommer haben wir wenigstens jetzt Genesenenstatus und bis dahin - bittebittebitte - könnte es wirklich endlich vorbei sein. Hier in Estland haben wir ja noch zwei Krisen, da könnte es wenigstens beim Thema gesundheit etwas ruhiger werden, 

Nämlich wissen Sie ja alle, was zwischen Russland und Ukraine vorgeht. Oder Sie wissen nicht (wie ich), aber dass die Lage dort sehr unstabil ist, haben Sie schon mitgekriegt, ja? Was Russland macht, wirkt auch auf uns, obwohl wir es nicht mögen. Oh wie gern würde ich es komplett vergessen, dass wir so nah an der Grenze wohnen! Kann ich aber nicht, Wind aus Osten ist immer gefährlich gewesen. Und übrigens bin ich im Sovjetunion aufgewachsen, kommen Sie bitte nicht mit "russische Sprache ist doch toll" und Gerede über Solidarität... geht leider gar nicht bei mir, tut mir leid. 

Dann haben wir noch die Stromkrise. Obwohl ich 100% zu Wollesocken ud Pullis stehe, müssen wir hier auch bei etwas kühleren Zimmertemperaturen im Winter ganz viel heizen. Über den letzten 15 Jahren wurde es uns immer wieder gesagt, wie toll es doch ist, mit Strom zu heizen, und wie günstig es ist, auf die Börse zu gehen (oder wie es dann heisst, ich beschäftige mich normalerweise kaum mit Stromrechnungen, das macht immer Der Mann)... Jetzt haben viele den Salat. Nach dem ungewöhnlich kalten Dezember stellte es sich heraus, dass auch die Strompreise ungewöhnlich hoch waren. Viele Haushalte müssen jetzt Hälfte oder mehr aus ihrem Monatseinkommen für Strom zahlen und unsere Premierministerin macht Marie-Antoinette, also sie spricht wirklich über "Strom doch nicht benutzen" - aber in der Landwirtschaft geht es nicht, z.B. müssen Kühe jeden Tag gemolken werden - und wie ihre Eltern im Rentneralter doch sehr gut mit ihren Stromrechnungen klarkommen... Ihr Vater ist Millionär oder wenigstens sehr, sehr wohlhabend... 

Also haben wir hier genug Dinge, die uns ärgern. Unserer Familie geht es gut mit der Stromrechnung, wir haben Festpreis und Ofenheizung, mehrere Freunde von uns aber sind in grossen Schwierigkeiten oder sie müssen ihre Ersparnisse plündern... 

Wenn es in der Welt drumherum so geht, dann freut frau sich über die kleinen guten Dinge des Lebens. 

Dass die Morgenroutine heute gut gelaufen hat. 

Dass die Familie heil in der Stadt angekommen ist. 

Dass es jeden Tag ein paar Minuten länger hell ist. 

Dass wir alles haben, was wir brauchen.

Dass wir alle ziemlich gut aus Corona rausgekommen sind (ich habe noch ab und zu astmatisches Husten, das lässt aber auch nach... und wir werden etwas schneller müde als sonst, aber auch das ist nach einer Krankheit normal und sollte in ein paar Wochen vorbei sein).

Dass wir übermorgen einen Geburtstag in der Familie haben werden. 

Dass das Wetter ziemlich warm ist, heute früh waren es draussen 0'C - ich mag Kälte überhaupt nicht! Und dass es in den kommenden Tagen auch nicht unter -10'C werden soll, damit können wir schon leben. 

Und noch so viele gute Dinge... 

Kommen Sie gut durch den Tag!


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