Nach dem Markt

 ... ist irgendwie immer vor dem Markt.

Handarbeit ist ja meine Leidenschaft. Leider braucht kein Mensch so viele Flickenteppiche oder Gestricktes, wie ich zubereiten könnte, insofern müssen wir mit den Sachen auf den Markt. 

Mache ich nicht so gern. 

Erstmal müssen wir das Ganze aufstellen - das ist schon ein Riesenjob an sich. Flickenteppiche sind nämlich schwer. 

Dann gibt es Stunden, wo keiner nicht einmal fragt, ob ich selbst webe, oder ob ich auch gemusterte oder runde Teppiche habe. Die Runden werden gehäkelt, das mache ich nicht, und gemusterte mag ich nicht, bei mir gibt es nur gestreifte Teppiche. 

Schlimmer ist nur, dass immer auch ein Marktidiot kommt. Entweder ist es ein Betrunkener, der sich eine Brlaut zsuchht (ist mir schon mehrmals passiert). Oder will jemand lautstark erzählen, wie sinnlos Handweberei ist und dass die Teppiche im Supermarkt so viel günstiger sind (aber warum geht er dann nicht in den Supermarkt?) und dass seine Oma doch alles immer kostenlos webte. Na, wenn ich Mal Oma bin, können alle meine Enkelkinder so viele Flickenteppiche haben wie sie  wünschen, kein Problem! Diesmal war es eine alte Frau, die mir unbedingt erzählen wollte, was sie von unserer Regierung hält. 

Und das Theater mit Toiletten und Essen... Bäh. Nämlich ist das Essen dort auf der Stelle oft sehr teuer, da müssen wir im voraus etwas aus dem Supermarkt kaufen. Toiletten aber gibt es keine, gibt es weit weg oder gibt es diese furchtbaren Plastikhütten, die schon um halb neun am Morgen nicht mehr sauber sind und wo man sich schön anschauen kann, was genau die vorherigen Benutzer dort gemacht haben, Sie verstehen schon... 

Und wenn es regnet. Nasse Flickenteppiche trocknen tagelang, weil sie ja dicker sind als sonstige Textilien. 

Wenn es dann nicht regnet, bin ich schon sehr glücklich.

Und wenn es tolle Menschen gibt, sogar wenn sie nichts kaufen - so wie an diesem Samstag, als zuerst eine sehr nette Dame aus unserer Gemeinde, Mutter von unseren Freunden vorbei kam... und zum Schluss ein Mann irgendwas fragte und wir nach einige Sätze herausfunden, dass er schon Mal von mir einen Teppich gekauft hatte. Er freute sich, dass ich mich an ihn und an seinen kleinen Sohn erinnerte, ich freute mich, dass er noch immer den Teppich hat. 

Und wenn es tolle Menschen gibt, die etwas kaufen. Die Frau meines Alters mit ihrem sehr alten Papa, der jetzt einen Teppich in seiner Wohnung auf dem Flur hat. Die Frau mit einem Sohn im Grundschulalter, die zuerst vorbeiging und dann zurück kam, weil sie unbedingt doch den grünen Teppich haben wollte. Die junge Familie mit zwei Kleinkindern, Mama auf Krücken und Papa ungekömmt, aber so sympathisch. Und die zwei Deutschen, die wir letzten Sommer auf einem Dorfmarkt getroffen haben und die sagten, sie hätten sich gewundert, ob sie uns auf dem Frühlingsmarkt wieder treffen. Als ob wir alte Bekannten gesehen hätten. Ein Teppich wird nach Berlin reisen. 

Für solche Momente mache ich das immer wieder. Auch wenn wir in den nächsten Tagen Muskelkater haben und richtig müde sind. 

Und am Tag nach dem Frühlingsmarkt ist dann die Rechnung für den Platz auf dem Mittsommermarkt gekommen. Bis dahin machen wir aber Pause mit den Märkten, denn bis Mittsommer sind unsere Wochenenden voll genug - oder wollen wir uns einfach ausruhen und zu Hause rumtrödeln... sieht bei uns sowieso eher nach Bauen und Gartenarbeit aus. 

Bis Ende des Jahres hoffen wir noch auf 5-6 Märkte. Mit richtig lieben Menschen und ohne Regen. 

Aber auch ohne meine Flickenteppiche kann man auf einem estnischen Markt oder Dorffest tolle Sachen einkaufen. Kommen Sie lieber mit dem eigenen Auto an, denn Küchenutensilien aus Holz, auf Stoff- und Lederresten genähte Schildkröten-Bodenkissen und ganz viel interessantes Essen braucht Platz und wiegt ja viel. Und auf so einem Markt erfährt man ja urplötzlich, was man (frau) eigentlich unbedingt  braucht. 

Ich gehe dann wieder weben. Vielleicht sehen wir uns irgendwann auf dem Markt. 

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