Und wie ich Mutter geworden bin

 Als sie klein waren, sagten sie natürlich Mama (auf Estnisch "emme"). Jetzt sind zwei von ihnen grösser als ich und sagen mit ihren tiefen Stimmen noch immer Mama. Sie haben schon andere Versionen ausprobiert, ich hatte wirklich nichts dagegen, aber irgendwie... kommen sie immer zu Mama zurück. 

Seit etwa einer Woche bin ich ab und zu Mutter. Sogar "Liebe Mutter" oder wenn ganz viel Sarkasmus gebraucht wird, "allerliebste Mutter". Wenn wir mit dem Mittleren gerade Die Gespräche haben. 

In einer Baptistenfamilie geht es nämlich gar nicht, dass ein 16 Jahre junger Mann seine 16 Jahre junge Freundin so zu Hause besucht, dass niemand ausser das Pärchen da ist. Der Mittlere verspricht zwar hoch und heilig, dass er "nichts" anstellen wird, aber einerseits gehört so etwas sich einfach nicht, Leute haben wegen kleinere Dinge heiraten müssen (unsere Gemeinde ist oberkonservativ, trotzdem liebend) andereseits habe ich absolut kein Vertrauen an pubertäre Hormone. 

Also reden wir über diese Beziehung öfter, als es dem Herrn Sohn lieb ist, und wenn er wirklich betonen will, dass er es überflüssig findet, fängt er den Satz mit "Liebe Mutter..." an. 

Also bin ich jetzt Mutter geworden. 

Die junge Dame ist übrigens hübsch und ziemlich klug. Charakter und Lebenseinstellung kennen wir noch nicht. Falls es lange genug dauert, werden wir sie ja irgendwann kennenlernen. Falls es nicht dauert... dann wird unser Sohn damit weiter leben und um eine Erfahrung reicher sein. 

Ich sehe eigentlich zwei gute Ergebnisse zu dieser Situation. Entweder wird es wirklich etwas Schönes und Lebenslängliches - solche Geschichten gibt es ja auch unter unseren Bekannten - oder die Beiden werden so viele andere Interessen haben, dass sie irgendwann einfach keine Zeit haben und die Gefühle von beiden Seiten gleichzeitig verschwinden, so dass keiner traurig ist. Scheint mir wahrscheinlicher, aber wer weiss?

Durch diese Ereignisse habe ich wirklich verstanden, dass die Kinder sehr bald erwachsen werden und wir innerhalb von 10-15 Jahren drei Hochzeiten haben können. 

Als ich schon wusste, dass es drei Jungs werden, war ich ein bisschen niedergeschlagen, denn es fühlte sich so an, dass wir nie eine Tochter haben werden. Die Frau unseres Pastors (Mutter von 4 Mädels) sagte mir dann, dass ich ja eine sehr gute Schwiegermutter werden könnte für alle Schwiegertöchter - und ja, von diesem Tag an habe ich angefangen, im voraus alle kleinen Mädchen zu lieben, die meine Söhne irgendwann lieben werden. Bisher war es einfach, denn sie alle waren ja wirklich klein... oder ich kannte sie von klein an. Jetzt wird es schwieriger, aber es ist egal, wer sie ist oder wann wir sie treffen - wenn mein Sohn sie liebt, will ich sie auch lieben. 

Und wirklich, was, wenn alles gut geht?


Comments

  1. Erinnert mich daran, dass ich es immer schade fand, nur Brüder zu haben und keine Schwester. Bis ich dann feststellte, dass die Brüder auch irgendwann Freundinnen haben. Und so habe ich jetzt zwei sehr nette Schwestern.

    ReplyDelete
    Replies
    1. Ja, eine Freundin von mir sagt auch, dass ihre Schwiegertochter wie eine eigene Tochter ist. Das lässt eine hoffen.
      Herr Sohn war gerade da, erzählte von seiner Freundin und sagte mit leuchtenden Augen, dass er glücklich ist. Ich drücke nur die Daumen...

      Delete

Post a Comment

Popular posts from this blog

Am 12. Oktober. Stürmisch, obwohl man es nicht sieht

Am 5. Dezember. Ungeschönt.

Am 12. Juli